Droste in Bonn (2): Belastungsproben

Weiter geht es mit der kleinen Expedition auf den Spuren der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff in und um Bonn. Im ersten Teil haben wir einen Zeitsprung ins Jahr 1825 gemacht, als die neue Universität der Stadt am Rhein einen geistig-kulturellen Aufschwung beschert. Zugleich geraten auch die Bonner Hochschullehrer ins Visier des Überwachungsstaates, der Liberale als Demagogen verfolgt.

Schaumburger Hof: In der Gaststätte am Rheinufer kehrten im 19. Jahrhundert Bonner Studenten und Professoren gerne ein. Zu den Gästen zählten Karl Simrock, Ernst Moritz Arndt, Ferdinand Freiligrath, Alexander von Humboldt, Friedrich Nietzsche – und Annette von Doste-Hülshoff, Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens, deren Sommersitz ganz in der Nähe war. Bild: Monika Gemmer

Annette von Droste erlebt diese Entwicklung in den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts hautnah mit – sie bewegt sich in Kreisen von Professoren und Philosophen, Künstlerinnen und Kunstexpertinnen. Weiterlesen →

Droste in Bonn (1): Reisen in eine andere Welt

Aus dem rückständigen Westfalen in das aufgeschlossene, lebenslustige und politisch bewegte Rheinland: Für die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff müssen sich die Reisen nach Bonn und Köln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angefühlt haben, als löse sich das Korsett. Wenn sie denn je eines getragen hat.

Acht Aufenthalte der Münsteranerin allein in Bonn für die Zeit zwischen 1825 und 1846 sind überliefert. Zusammengerechnet verbrachte sie ein gutes Jahr ihres Lebens in dem aufstrebenden Städtchen, das mit seiner noch jungen Universität viele Gelehrte anzog. Bei ihrem ersten Besuch zählte Bonn um die 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner, bei ihrem letzten war die Bevölkerung auf rund 17.000 angewachsen.

Wo hat Annette von Droste-Hülshoff in und um Bonn gewohnt, welche Bekanntschaften und Freundschaften, die ihren Weg als Autorin teilweise entscheidend mitprägten, hat sie in dieser Gegend geschlossen? Ich bin an den Rhein gefahren und dort auf Spurensuche gegangen.

Das alte Bonn als Modell am Münsterplatz. In diesen Gassen suche ich nach Droste-Orten. Bild: Monika Gemmer

Weiterlesen →

Treibgut

Ungewöhnliches Treibgut im Rhein vor der Kulisse des Siebengebirges.

Wer hätte gedacht, dass Bücher Segel hissen können? Dieses schafft es hoffentlich bis Rotterdam und dann, endlich, ins Meer.

Und dies war der Soundtrack zum Moment, den ich den ganzen Nachmittag im Ohr hatte:

Bonn und ich

Mit Bonn verbindet mich ein Teil meiner Familiengeschichte: Meine Mutter wuchs im Rheinland auf, und die Besuche bei meinen Großeltern und weiteren Verwandten führten uns jahrzehntelang immer wieder hierher zurück.

Beethoven wacht auf dem Bonner Münsterplatz: Der Komponist wurde 1770 am Rhein geboren. Bild: Monika Gemmer

Die Familie meiner Mutter war in dieser Gegend tief verwurzelt: Bei einem Ausflug in die Ahnenforschung fand ich Vorfahren bis weit ins 18. Jahrhundert zurück, die in den Dörfern rund um Bonn gelebt hatten (einige, wie Kessenich und Friesdorf, sind heute Bonner Stadtteile).

Mein Vater wiederum, der aus dem Ruhrgebiet stammt, studierte in Bonn und lernte dort meine Mutter kennen. Als 85-Jähriger nahm er uns Kinder kürzlich mit auf eine Reise in seine jungen Bonner Jahre, rüttelte an der verrosteten Tür in den Mauern der Stadtbefestigung, in deren Gewölbe als Student hauste, und zeigte uns lächelnd das Universitätsgebäude, jenen Ort, wo meine Mutter sich nach ihm erkundigt hatte, weil sie ihn nach einem ersten Treffen wiedersehen wollte. (Der Kommilitone, den sie damals auf dem Universitätsflur nach ihm fragte, wurde später mein Patenonkel.)

Mein einprägsamstes Bonn-Erlebnis hatte ich Anfang der 80er Jahre, als ich zusammen meiner Mutter und 150.000 anderen Menschen auf einer der großen Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten war.

Und trotz alledem bin ich mit Bonn nie warm geworden. Es blieb die fremde Stadt, in die wir fuhren, um langweilige Verwandtschaftsbesuche zu machen – oder noch langweiligere Spaziergänge. Ganz dunkel erinnere ich meinen Opa, der die Rheinpromenade entlangmarschierte, plötzlich stehenblieb, wichtig gen Süden schaute, mit seinem Stock Richtung Regierungsviertel zeigte und mit erhabener Stimme etwas von „Hammerschmidt“ sagte, von „Schürmann-Bau“ und „Langem Eugen“. Mir war das so egal.

Der „Lange Eugen“ beherbergte bis 1999 die Büros der Bundestagsabgeordneten. 2006 zogen Organisationen der Vereinten Nationen ein, heute es Zentrum des UN-Campus. Aus dem Schürmann-Bau, geplant und gebaut als Erweiterung und vom Hochwasser 1993 stark beschädigt, funkt heute die Deutsche Welle. Bild: Monika Gemmer

Gauck war dieser Tage noch ein letztes Mal da zu einem Schumann-Abend: Die Villa Hammerschmidt, bis 1994 erster, seither zweiter Wohn- und Amtssitz des Bundespräsidenten in Bonn. Seit 2011 kann man hier auch heiraten. Bild: Monika Gemmer

Das Alte Wasserwerk am Rheinufer, von 1986 bis 1992 Plenarsaal des Bundestages. Das Gebäude kann man für Veranstaltungen mieten. Dazwischen bietet die Stadt Führungen an. Bild: Monika Gemmer

Die Abgeordneten hockten im beengten Wasserwerk dicht aufeinander – die Debatten, so berichten einige Zeitzeugen, seien wohl gerade deshalb deshalb besonders friedlich verlaufen. Bild: Monika Gemmer

Dann, als war die Party vorbei und das Regierungsviertel verlassen war,  tat Bonn mir irgendwie leid. Die ehemalige Hauptstadt wirkte auf mich aus der Zeit gefallen, morbide und an manchen Stellen fast ein bisschen apokalyptisch mit ihren verwaisten Gebäudekomplexen, den kaputten Jalousien in den Fenstern, den Hecken, die niemand mehr stutzt, dem Grün, das überall den Beton überwuchert. Während die Uhren im Rest des Landes weiter tickten, gab es in Bonn Ecken, wo die Zeit stehengeblieben schien.

Doch inzwischen hat Bonn bewiesen, dass die Stadt flexibel ist. Bonn kann sich trennen! Oder, wie die Rheinländer sagen: Wat fott es, es fott.

Seit 2006 verwaist: Die frühere Botschaft der Republik Ungarn in Bonn-Bad Godesberg (Ortsteil Plitterdorf). Bild: Monika Gemmer

Am Hauptbahnhof wird derzeit die Südüberbauung abgerissen. Das unattraktive „Bonner Loch“ soll komplett neu gestaltet werden. Bild: Monika Gemmer

Das Bonn-Center, ein Geschäftshochhaus am Rande des Regierungsviertels, wird am 19. März 2017 gesprengt – unter dem strengen Blick Konrad Adenauers, dessen Büste vor dem ehemaligen Kanzleramt steht. Bild: Monika Gemmer

Hübsch hässlich: Die zwei Seiten von Bonn, hier in der Poststraße. Bild: Monika Gemmer

Auch das ist Bonn: Eine Stadt, die üppig wie nur wenige andere in Deutschland mit herausgeputzten Häusern aus der Gründerzeit ausgestattet ist. Vor allem in der Südstadt reiht sich eine Fassade an die andere, auf denen Jahreszahlen aus der Zeit um die Jahrhundertwende prangen.

Gründerzeit-Fassaden im Bonner Stadtteil Poppelsdorf. Bild: Monika Gemmer

 

Balkönchen-Parade in der Colmantstraße. Bild: Monika Gemmer

Aber nicht nur dort, auch in anderen Stadtteilen findet sich noch viel alte Bausubstanz. Zum Beispiel in Kessenich. Hier habe ich mich für ein paar Tage via AirBnB privat einquartiert und mache mit dem Fahrrad Entdeckungsausflüge in Stadt und Umgebung. Ich will Bonn endlich kennenlernen – und bei dieser Gelegenheit, regelmäßige Leserinnen wird es nicht überraschen, auch einige Droste-Orte in und um Bonn aufsuchen. In Kürze mehr dazu!

Die Breite Straße in der Bonner Nordstadt. Bild: Monika Gemmer

Blick in die Wolfstraße. Bild: Monika Gemmer

Die Ecke Breite Straße / Dorotheenstraße. Bild: Monika Gemmer

Burg Hülshoff: Grünes Licht für den Ausbau

Beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) knallten vermutlich die Sektkorken, als der Brief aus Berlin eintraf: Für den Ausbau von Burg Hülshoff, dem Geburtsort der Dichterin westlich von Münster, schießt das Bundesbauministerium satte 4,6 Millionen Euro zu – und fördert das Projekt, über das ich hier ausführlich schrieb, damit fast in vollem Umfang.

Die Entscheidung, die Ministerin Barbara Hendricks heute offiziell bekanntgab, dürfte bei der Droste-Stiftung und deren federführendem Mitglied LWL große Erleichterung ausgelöst haben. Denn das, was die Stiftung an eigenen Geldern hat, reicht zwar, um den Betrieb von Burg Hülshoff und dem späteren Wohn- und Schreibort Rüschhaus wenige Kilometer aufrechtzuerhalten. Mehr aber auch nicht.

Burg Hülshoff auf einer Darstellung von Alexander Duncker aus dem 19.Jahrhundert und einem Foto, das ich 2015 gemacht habe – jeweils rechts ein Teil der Vorburg, die nun ausgebaut werden soll.

„Wir freuen uns sehr, weil jetzt der Ausbau losgehen kann“, kommentiert Barbara Rüschoff-Thale, die Vorstandsvorsitzende der Droste-Stiftung und Kulturdezernentin des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, den positiven Förderbescheid. Vor rund einem Jahr hatte ich mich mit ihr,  LWL-Direktor Matthias Löb sowie dem Geschäftsführer der Droste-Gesellschaft, Jochen Grywatsch, auf Burg Hülshoff getroffen.

Die drei zeigten mir die Räumlichkeiten, führten mich auf abenteuerlich anmutenden alten Holztreppen hinauf ins Dach der Vorburg, wo die Dohlen hausen, und erläuterten mir, was genau sie vorhaben mit dem ehemaligen Wirtschaftsgebäude. Herzstück der Pläne ist ein Droste-Kulturzentrum: Die Vorburg wird Veranstaltungsstätte mit Platz für Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Workshops. Auch im Haupthaus, der eigentlichen Burg, soll sich einiges ändern. Das Museum wird modernisiert, und bislang der Öffentlichkeit verschlossene Räume sollen zugänglich gemacht werden.

Ende des Dornröschenschlafs

Demnächst also werden die Handwerker anrücken und mit Baulärm und emsigem Treiben den Dornröschenschlaf, in dem die Wasserburg zu liegen scheint, beenden. Man muss das nicht bedauern. Dieser Ort hat sich schon zu Lebzeiten seiner berühmten Bewohnerin immer wieder verändert. Ja, Annette von Droste schätzte die Beschaulichkeit, sie war tief verwurzelt im westfälischen Boden, sie hing am Althergebrachten – aber sie war auch offen für Veränderung und suchte ständig Wege, junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern. Man darf annehmen, dass es ihr gefallen würde, wenn hier, an dem Ort, an dem sie ein Vierteljahrhundert lang lebte, schrieb und Verse in altem Gemäuer versteckte, nun eine Stätte für Literatur, Kunst und kulturelle Debatte entsteht. Um das Jahr 2020 herum könnte das Droste-Kulturzentrum in Vollbetrieb gehen. Dann wäre es dann fast genau 200 Jahre her, seit der frühe Tod des Vaters die junge Dichterin zum Auszug aus der idyllisch gelegenen Wasserburg zwang.

Zu hoffen ist, dass der Charakter des Ortes gewahrt bleibt. Wie ich die Akteure des Projekts einschätze, so werden sie dafür Sorge tragen. Ich bin sehr gespannt. Und werde ab und zu ins Münsterland reisen, um mir die Entwicklung vor Ort anzuschauen.