Angst essen Seele auf

Der junge Mann da neben mir ist Robert Basic. Wir waren kürzlich zusammen im Frankfurter Museum für Kommunikation zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Der zunächst irritierende Titel: „Das neue Netz“. Neu?

Es ging um Web 2.0 in vielen Erscheinungsformen, und für einen Teil des Publikums mag die eine oder andere Anwendung durchaus neu gewesen sein. Letztlich muss man aber auch nicht zwingend selbst twittern, flickern oder einen Avatar haben, um darüber nachzudenken, „wie das Internet die Gesellschaft verändert“ – so der Untertitel der Veranstaltung.

Die Diskussion drehte sich dann doch mehr darum, wie das Netz die Medien verändert – und hier vor allem mit Blick auf Gefahren, weniger auf Chancen. Chancen, die darin liegen, dass Medienkonzerne ihre Machtposition einbüßen, nicht mehr über Veröffentlichung oder Nicht-Veröffentlichung von Themen entscheiden, nicht mehr in dem Maße gebraucht werden wie vor zehn, fünfzehn Jahren – und dass unsere Arbeit mehr denn je unter öffentlicher Kritik steht (eine bittere Wahrheit, die manche Print-Journalisten immer noch nicht realisiert haben). Klar ist das alles bedrohlich – für Verlage. Die haben noch kaum die Medienkrise vom Anfang des Jahrhunderts verdaut, da krebsen sie erneut vor sich hin, streichen Budgets und Personal zusammen, dampfen Redaktionen ein und suchen ebenso verzweifelt wie vergeblich nach einem Geschäftsmodell fürs Netz. Vielen fällt dabei nicht mehr ein als – noch ’ne Komjuhnitiii.

Und wenn wir ehrlich sind: Hätten Renate Ehlers, Leiterin der Intendanz beim Hessischen Rundfunk, oder ich an diesem Abend ein tragfähiges Konzept für die Zukunft der klassischen Medien in der Tasche gehabt, wir wären inzwischen wohl mit goldenen Nasen ausgestattet. Inmitten dieser Ratlosigkeit haben Öffentliche-rechtliche ja immerhin noch den Vorteil, mit dem Finger auf die Politik zeigen zu können („Rundfunkstaatsvertrag!“), während Printmedien so schnell keinen anderen Schuldigen finden außer sich selbst oder – in letzter Zeit seltener – das böse Web. (Bascha Mika, Chefredakteurin der taz, die ich auf der Buchmesse eben dieses Klagelied über die Kostenloskultur im Internet und die furchtbaren Folgen für Qualitätsmedien anstimmen hörte, dürfte inzwischen die Ausnahme sein.)

Aber wenn man schon nicht weiß, wie es weitergeht, könnte es ja mal mit einem Ausschlussverfahren versuchen und formulieren, wie es auf keinen Fall weitergeht. Nämlich so: Noch weniger Geld in Journalismus investieren. Noch weniger Fachleute beschäftigen. Noch billiger Inhalte produzieren. Noch mehr bei Wikipedia abschreiben, ohne sich um die Spielregeln zu scheren (Matthias Schindler, der ebenfalls auf dem Podium saß, kann davon ein Lied singen). Leider scheint aber genau das der Weg zu sein, für den sich viele Medienkonzerne gerade entscheiden; eine Entwicklung, vor der an diesem kalten Winterabend in Frankfurt auch Verena Kuni, Kunst- und Medienwissenschaftlerin an der Goethe-Universität, dringend warnte.

Die wichtigste Frage aber erörterten Robert Basic und ich am Rande und ganz unter uns – nachdem er gehört hatte, dass ich auch 2009 Mitglied der Jury für den Grimme Online Award sein werde. Das Ergebnis dieser Verhandlungen darf dann im Frühsommer 2009 durchs Blog-Dorf getrieben werden.


Robert Basic, ich, Renate Ehlers

Da draussen

Jenseits der Tür
Auf der anderen Seite der Tür ist ein anderes Leben. Zwei Treppen, dann die Haustür, die täglich viele Male mit einem lauten Rumms ins Schloss fällt, wenn eine meiner Nachbarinnen, einer meiner Nachbarn kommt oder geht.

Die Stadt pulsiert da draußen. Alles ist anders – der Rhythmus, die Dimensionen … Man gewöhnt sich erstaunlich schnell. An lange Öffnungszeiten, U-Bahnen im Fünf-Minuten-Takt. An das Nebeneinander von sechsspurigen Alleen und dörflichem Kopfsteinpflaster, von Wolkenkratzer und Fachwerk. Erstaunlich viele Grünflächen, verschwenderisch großzügig angelegt wie der Huth-Park, der immer mehr zu meinem bevorzugten Laufrevier wird, oder kleine, gemütliche Oasen wie der Bethmann-Park, sie behaupten sich mitten in der Stadt gegen den immer weiter ausufernden Asphalt, ebenso wie der Anlagenring, ein grünes, fünf Kilometer langes, unbebaubares Hufeisen rund um die Innenstadt, durch dessen östlichen Teil ich täglich zehn Minuten zur Arbeit radele. Bei schönen Wetter flanieren hier mittags Angestellte im feinen Zwirn, beißen in ein Brötchen und schlürfen ihren Starbucks-Kaffee – im Stehen, denn die Sitzbänke sind meist bereits belegt von den vielen Armen dieser Stadt.

All die Menschen. Anfangs sah ich nur eilende Japaner und Banker mit zunehmend tiefer hängenden Schultern. Inzwischen besteht die Stadt aus anderen Leuten. Die Jugendlichen aus der Schule bei mir um die Ecke, die um die Mittagszeit die Straße mit Leben füllen. Das Punkerpärchen von gegenüber, das im Sommer jeden Abend (irgendetwas) rauchend auf dem Balkon verbachte. Die verwitwete Nachbarin mit den kurzen grauen Haaren, die drei Stockwerke über mir wohnt – seit 45 Jahren, wie sie mir erzählt hat. Der Rentner unter mir, mit seinen sieben Berufen und sieben Leben. Die er mir ebenfalls erzählt. Täglich.

Die Verkäuferin in „meiner“ Bäckerei, der Radioladen-Fritze, der meine Päckchen entgegennimmt – auch wenn er keine offizielle Annahmestelle hat – , die Bedienungen in den Kneipen und in dem kleinen Kino drüben auf der Berger Straße, die mir langsam vertraut werden.

Gegenüber ist jemand gestorben. Eine Entrümpelungsfirma rückt an, Stück für Stück tragen die Männer ein ganzes Leben auf die Straße. Innerhalb kurzer Zeit scharen sich immer mehr Leute um den herrenlosen Hausrat, wühlen in Koffern, inspizieren Lampenschirme, raffen an sich, was die Hände tragen können. Dabei wird hier doch gerade wieder der Beweis angetreten: Am Ende nehmen wir nichts mit.

Über all dem spannt sich, zuverlässig jeden Abend, ein Nachthimmel auf, der hier in der Großstadt so viel heller ist. Und doch wollen die Sterne nicht verblassen.

Konzentrationslager Buchenwald

Eine Audio-Slideshow aus dem Konzentrationslager Buchenwald – erstellt mit Soundslides. Im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar sind zwischen Juli 1937 und April 1945 rund 250.000 Menschen zusammengepfercht, schätzungsweise 56.000 werden hier getötet. Weiterlesen →

Schickt! Mich! Weg!

Fast zwei Jahre schon seit meiner letzten Tour. Höchste Zeit, sich mal wieder in den Fahrradsattel zu setzen und eine Woche durchzustrampeln – aber wohin? Die Lauenburg-Ostsee-Strecke fiel im vergangenen Jahr dem G8-Gipfel zum Opfer, aber vielleicht sollte ich die Pläne reaktivieren? Oder eine entspannte Tour am Rhein entlang, etwa Mainz – Köln? Ach, wisst ihr was: Sucht’s euch aus. Ich habe schon immer einen Anlass gesucht, hier ein bisserl Webzwonull-Citizen-Journalism-Online-Democracy reinzubringen und dieses Poll-Plugin zu testen.

Die Ausgangslage: Eine Woche Zeit, innerhalb Deutschlands, Tagesetappen 50 bis 60 Kilometer. Irgendwo am oder zum Wasser. Flach, wenn’s geht. Entspannt. Schön. Hier abstimmen – oder eigene Touren-Vorschläge in die Kommentare. Als Belohnung wartet ein Reisebericht. Dankeschön. Also, wo geht’s lang?

Der Maler

F. betrachtet sich im Spiegel. Er begutachtet die feine, geschwungene Falte, die sich wellenförmig über seine Stirn zieht. Sie verläuft exakt parallel zu seinen Augenbrauen: Wo diese sich heben, beschreibt auch sie einen Bogen, und wo jene zu den Schläfen hin abfällt, senken sich die Brauen – als habe sie jemand auf dem Zeichenblock entworfen.

Untereinander fehlt den Augenbrauen diese Gleichförmigkeit. Die linke ist ein wenig größer als die rechte, buschiger und zu einem nicht ganz vollendeten Halbkreis gebogen, während die andere im spitzen Winkel über dem Auge verläuft. Sein Blick wandert zu seinem Mund, und er muss lächeln. Seine Lippen weisen die gleiche Asymmetrie auf. Alles findet seine Entsprechung. Eines Tages würde er Gesichter wie malen, Gesichter, die wie seines aussehen.

Heute Abend würde er ausgehen. Sicher, den Kragen seines Mantels würde er zuvor hochschlagen und einen Hut tief ins Gesicht ziehen. Die letzten 500 Meter würde er zu Fuß gehen und die Bar durch den Seiteneingang betreten. Aber er würde ausgehen. Der Krieg ist vorbei, seit neun Jahren. Dies ist Berlin. Hier gibt es viele Männer wie ihn, heißt es. Und sein Vater würde es nie erfahren.

Doping aus dem Kopfhörer

Gewöhnlich laufe ich mit Podcast im Ohr, meist ist es eine Der-Tag-Sendung von HR2, das kommt längenmäßig ziemlich genau hin, oder drei bis vier Zeitzeichen-Geschichten von NDR Info, oder ein Funkhausgespräch von WDR 5 (wobei ich hier neulich unvermutet die Stimme meines Chefs im Ohr hatte – an meinem freien Tag.) Ich lasse mir gerne was erzählen, während ich so durch den Wald trabe – und ja, ich stelle auch ganz brav die Lautstärke so niedrig, dass ich nicht nur hinterrücks heranpreschende Radfahrer rechtzeitig höre, sondern auch noch was vom Vogelgezwitscher über mir mitbekomme. Wozu ist man schließlich draußen in der Natur?

Podcasts beim Sport haben für mich einen Vor- und einen Nachteil. Sie lenken mich wunderbar von der Müdigkeit in meinen Beinen ab. Aber sie machen mir auch keine – Beine, meine ich. Will sagen: Beim Hören von „Sein Kampf – Götz Aly rechnet mit 1968 ab“ hat man vielleicht einige Aha-, aber keine Geschwindigkeitsrausch-Erlebnisse. Und mit einer Hart-aber-fair-Sendung zum Thema „Wer kann sich Altern in Würde leisten“ im Ohr neigt man eher dazu, unterwegs schlaff die Schultern hängen zu lassen, statt sich an Tempo-Intervallen zu versuchen – nach dem Motto: „Ach – nützt ja eh nix mehr.“

Um mich zum gezielten Training zu motivieren, sind meine Stamm-Podcasts also ungeeignet. Ein spezieller Lauf-Podcast vielleicht? Ich habe ich es mit dem Jogmap-Trainingspodcast probiert – nicht schlecht, aber ich fühlte mich so beobachtet („Noch ein bisschen schneller! Komm, da geht noch was! Los, anstrengen! Ja, schon besser.“)

Also doch lieber Musik, um auf Touren zu kommen? Aber was? Sting und Mercedes Sosa wärmen zwar die Seele – bei diesen sommerlichen Temperaturen ist das eher kontraproduktiv. Der ganze Jazz-Kram bringt’s nicht. Rebekka Bakken („There are so many men, and I love all of them“)? Passt beim Laufen weder musikalisch noch textlich. Hilfe! Ich brauche Tipps. Welche Musik geht direkt vom Ohr in die Beine und verleiht auf halbem Weg dorthin Flügel? Verratet mir die effektivsten Songs auf eurer Lauf-Playlist!