Literaturgeschichte, leicht vergilbt

Als ich vor mehr als zehn Jahren im Hotel Kleber-Post in Saulgau in den frühen Morgenstunden eine rauschende Hochzeitsfeier mit einem glücklichen Plumps ins Bett beendete, war mir nicht bewusst, dass ich auf literaturhistorischem Boden in den Schlaf sank. 1977 hatte sich in eben diesem Hotel die Gruppe 47 offiziell aufgelöst. Der Schriftsteller-Club, der sich 1947 als Reaktion auf ein Verbot der Literaturblattes „Der Ruf“ durch die amerikanischen Besatzer gebildet hatte, war zu diesem Zeitpunkt im Grunde schon lange Geschichte.

Seit Anfang der 60er Jahre gab es Zersetzungserscheinungen, und mit Beginn der Studentenproteste zerstritten sich Autoren wie Hans Werner Richter, Günter Grass, Alfred Andersch, Martin Walser, Peter Handke endgültig – über die Frage ihrer Politisierung, aber auch über das elitäre Gehabe der linken Schriftsteller-Clique, die andere Autoren nach Gutsherrenart zu ihren Treffen zuließ oder ausschloss.

Martin Walser scheint irgendwann davon genug gehabt zu haben, wie eine vor 40 Jahren geschriebene Postkarte an den Journalisten Hans Dollinger zeigt. Das Original hat jetzt einen Platz in meiner Sammlung.

Bescheiden in Heiligendamm

Boah. 50 Prozent Co2-Reduzierung. Bis 2050. Vielleicht. Ich bin beeindruckt. Nein, ich ziehe das zurück. Es gibt keinerlei Anlass für Zynismus. Dafür ist das Thema zu ernst.

Die Reduzierung des Co2-Ausstoßes ist hinterm Zaun in Heiligendamm nicht etwa beschlossen worden. Sie wird ernsthaft in Betracht gezogen. Und das, so lehrt uns unsere Kanzlerin, ist ein Riesen-Erfolg. Ich ziehe ernsthaft in Betracht, auf den nächstgelegenen Tisch zu kotzen.

Man weiß nicht, was man weniger glauben mag: Dass sich mächtigsten Politiker der Welt darauf einigen, sich in Zukunft zu einigen (Bob Geldorf), dass sie dies als große Leistung verkaufen , oder dass sie für ihr vages Ziel eine Frist wählen, die ihnen die Sicherheit gibt, keinesfalls zur Rechenschaft gezogen zu werden – weil sie bis dahin die Radieschen längst von unten sehen.

50 Prozent weniger. In 43 Jahren. Fürs Protokoll schlage ich eine winzige Formulierungsänderung vor: 25 Prozent in 20 Jahren. Oder nein, besser: 10 Prozent bis 2015. Rein rechnerisch kommt das ungefähr hin. Ok, es klingt nicht so wahnsinnig ehrgeizig wie minus 50 Prozent. Und es entspricht auch nicht den Mindestanforderungen, die das IPPC für notwendig hält, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Dafür könnten wir euch wenigstens drauf festnageln. Wir sind ja bescheiden geworden – was eure Arbeit angeht.

Hm

Vielleicht war die englische Fassung des letzten Refrains schuld. Ich meine: Ein Deutscher, der vor vornehmlich osteuropäischem Publikum Guess who rules the world singt, darf sich nicht wirklich wundern – oder?

Danke!

Endlich – die Sperrfrist ist abgelaufen! Selten ist es mir so schwer gefallen, den Mund zu halten. Bis heute Mittag durfte ich nicht ausplaudern, dass
Nach 100 Jahren für den Grimme Online Award 2007 nominiert wurde.

Gerade ein halbes Jahr ist mein literarisches Web-Projekt alt – heute darf ich es in der Landesanstalt für Medien in Düsseldorf vorstellen, wo das Grimme-Institut in diesen Minuten die Nominierungen offiziell bekannt gibt. Nach 100 Jahren ist in den vergangenen Monaten fast täglich gewachsen: Rund 130 Auszüge aus Briefen der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff sind mittlerweile online, sortiert nach Adressat, Ort und Jahr, verschlagwortet und versehen mit mehr als 50 authentischen Kommentaren von Droste-Zeitgenossen sowie erläuternden Anmerkungen. Dazu gibt es Zusatzinformationen, etwa biografische Angaben zu den wichtigsten Protagonisten, ein Video über die Wohnorte der Dichterin, ein Rückblick auf den Briefverkehr zur Droste-Zeit und eine Karte mit Aufenthaltsorten.

Danke – für das Teilen einer Idee, den Ansporn, sie umzusetzen, für Unterstützung, Mitarbeit und Mit-Begeisterung, für Erwähnung und Verlinkung, für den Vorschlag beim Grimme-Institut (ich weiß inzwischen, wem ich das zu verdanken habe) – und für die Nominierung.

Wie ich mich fühle? Ausgezeichnet!