Raus ins Wäldche

Wenn der Job sich im Leben allzu sehr in den Vordergrund drängt und man selbst während des wenigen verbliebenen Schlafs über Detailfragen brütet, hilft nur eins: Mailaccount stilllegen, ungelöste Probleme aus dem Kopf schlagen, raus an die Luft und ein paar Geocaches heben – diesmal im Frankfurter Stadtwald.
Start an der Schillerruh, einer unscheinbaren Lichtung nahe der Landstraße an der Stadtgrenze Neu-Isenburg – vor gut 230 Jahren macht Friedrich Schiller an dieser Stelle schlapp, als er auf der Flucht aus der Garnison nach Frankfurt war. Gerade hatte der Militärarzt, der viel lieber Dichter sein wollte, in Stuttgart seinen Arrest abgesessen für das Entfernen von der Truppe, da zieht es ihn schon wieder nach Mannheim, um dort sein neues Theaterstück an den Mann zu bringen. Zurück in den Militärdienst, das kommt für ihn nicht mehr in Frage. Also Flucht Richtung Norden. In Darmstadt wird das Geld knapp, eine Postkutsche können Schiller und sein Freund Streicher, der ihn begleitet, sich nicht leisten – also zu Fuß weiter. Kurz vor Frankfurt kann Schiller nicht mehr. Streicher erinnert sich an den Oktobertag 1782 kurz vor der Stadtgrenze:

Man machte sich also nochmals auf, um Frankfurt in einigen Stunden zu erreichen, welches aber die Mattigkeit Schillers kaum zuzulassen schien; denn er ging immer langsamer, mit jeder Minute vermehrte sich seine Blässe, und als man in ein Wäldchen gelangte, in welchem seitwärts eine Stelle ausgehauen war, erklärte er, außerstande zu sein, noch weiter zu gehen, sondern versuchen zu wollen, ob er sich nach einigen Stunden der Ruhe wenigstens so weit erhole, um heute noch die Stadt erreichen zu können. Er legte sich unter ein schattiges Gebüsch ins Gras nieder, um zu schlafen (…) Auf die schnelle Frage von S., wie gehts, wie ist Ihnen, erfolgte zu seiner Beruhigung die Antwort „Mir ist etwas besser, ich glaube, dass wir unseren Marsch wieder antreten können.“ Er stand auf, durch den Schlaf so weit gestärkt, das er, anfangs zwar langsam, aber doch ohne Beschwerde fortgehen konnte. Außerhalb des Wäldchens traf man auf einige Leute, welche die Entfernung der Stadt noch auf eine kleine Stunde angaben. Diese Nachricht belebte den Mut, es wurde etwas schneller gegangen, und ganz unvermutet zeigte sich das altertümlich gebaute, merkwürdige Frankfurt, in welches man noch vor der Dämmerung eintrat.
Andreas Streicher: „Schillers Flucht aus Stuttgart und sein Aufenthalt in Mannheim von 1782-1785“

In Frankfurt bleibt Schiller vorsichtshalber erstmal inkognito, als er sich in einem Buchladen nach dem Erfolg der „Räuber“ erkundigt. Erst als er vom großen Zuspruch hört, den sein Stück am Main finde, gibt er sich zu erkennen – und lässt sich dann in Frankfurt ordentlich feiern. Was er von der Stadt hält, fasst er einige Jahre später in einer Gedichtzeile zusammen: „Und es herrscht der Erde Gott, das Geld.“

Ob schon Schiller durch ein Meer von Bärlauch wanderte, als er sich Frankfurt näherte? Heutzutage ziehen ganze Heerscharen von Frankfurtern ins „Wäldche“, um Bärlauch zu pflücken, bevor es blüht. An einer Stelle scheint besonders reiche Ernte zu erwarten: Am Königsbrünnchen in der Nähe des Jakobiweihers, wo ich mit eigenen Augen mitansehen musste, wie hartgesottene Sachsenhäuser aus einer schwefelhaltigen Quelle das leicht faulig riechende Wasser schlürfen. Merkwürdig bis heute, dieses Frankfurt.

Auf diesem persönlichen Ostermarsch lief Trip Journal mit, eine nette kleine Applikation auf dem Handy, die die Route mitsamt Fotos aufzeichnet.

Trip Journal

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Als Mutter Goethe ihr Herz verlor

Für Skandale war nicht nur Johann Wolfgang Goethe gut. Noch bevor der Sohn im fernen Weimar seine wilde Ehe mit Christiane Vulpius begann, stürzte sich seine Mutter Katharina Elisabeth in Frankfurt in eine Liaison mit einem sehr viel jüngeren Mann. Mochte die Frankfurter Gesellschaft noch so die Nase rümpfen – um Frau Aja, wie Goethes Mutter von dessen Freunden genannt wurde und sie selbst viele ihrer Briefe unterschrieb, war es geschehen, als sie den jungen Mann das erste Mal erblickte. Altersunterschied hin oder her.
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Tatort Rundschau

„Was ist denn mit der Rundschau los? Ist die pleite gegangen?“, fragt draußen eine Passantin, als sie die unbekannten Schriftzüge über dem Eingang des FR-Gebäudes sieht. Natürlich nicht. Der Hessische Rundfunk dreht an diesem Tag ein paar Szenen für den neuen Tatort mit Ulrich Tukur, die in einer Zeitungsredaktion spielen. Das fiktive Blatt heißt (*hüstel*) „Blick ins Zeitgeschehen“, und die Schlagzeile auf dem lausig kontrastarm gedruckten Fake-Titelblatt, das auf eine andere Zeitung geklebt ist und drinnen überall auf den Tischen liegt, lautet: „Baby im Müll – Mutter auf Mallorca“. Nunja.
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Luftschiff-Parade

Vor 99 Jahren landeten drei Zeppeline, die fünf Stunden zuvor in Köln gestartet waren, in Bad Homburg nördlich von Frankfurt vor den Augen von Kaiser Wilhelm II., der hier gern kurte. Zweck der Übung: Der Kaiser wollte sich und dem Volk vor Augen führen, dass das deutsche Reich über eine militärisch einsetzbare Transporttechnologie verfügt.

Im Jahr 2000 hat die Kurstadt die Luftschiff-Parade wiederentdeckt und lässt seither auf einem Stoppelfeld am Stadtrand vor der Skyline von Frankfurt alle zwei Jahre – im Wechsel mit dem Ballonfestival Montgolfiade – imposantes Fluggerät am Himmel aufsteigen. Vielleicht sind sich die Veranstalter nicht ganz sicher, ob – wie ein Jahrhundert zuvor – allein der Anblick der Luftschiffe das Publikum hinreichend begeistert, und denken sich deshalb Spielchen wie das „Luftritter-Turnier“ aus, bei dem die Crew Quietsche-Entchen vom Boden auflesen und Luftballons zerstechen muss. Alles ist Event. Amüsant war es trotzdem.

Kleine Audioslideshow:

Standortwechsel

Nach zweieinhalb Jahren in dem trutzigen Rundbau „Colosseo“ am südlichen Mainufer zieht die Frankfurter Rundschau nun einige Straßen weiter zum Südbahnhof. Das neue Domizil in der Textorstraße ist an ein ehemaliges, saniertes Straßenbahndepot angedockt und heißt deshalb „Depot“. Rundherum viele Cafés, Kneipen, Läden – mitten in Sachsenhausen.

Tschüss Depot Mein Schreibtisch

Mit dem Umzug gehen weitere Veränderungen einher. Ich wechsle von der Online- in die Politikredaktion, betreue dann den Online-Auftritt für dieses Ressort. Ein eigenes Büro werde ich nicht mehr haben: Mein Arbeitsplatz ist künftig ein 700 Quadratmeter großer Saal, in dem noch rund 80 weitere Kolleginnen und Kollegen sitzen, tippen, telefonieren, ausdünsten. Der „Newsroom“ soll schallgedämpft sein, und ein erster Praxistest vor Ort ergab: Das ist er wirklich. (Zugegeben, bei diesem Test gab es auch noch nicht so arg viel Schall, der gedämpft werden musste. Die echte Bewährungsprobe kommt nächste Woche. )
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