Wie Frankfurt gewählt hat

Die Bundestagswahl ist gelaufen, der Zorn über den (erwartbaren) Einzug von Rechtsextremen ins Parlament, darunter brandgefährliche Demagogen, legt sich hoffentlich nicht so schnell. Sich an Nazis im Bundestag zu gewöhnen, als sei ihre Existenz ein Naturgesetz, ist keine Option. Dabei ist mir ganz wurscht, in welcher Partei die Rassisten sitzen. Das Geschwafel vom Schließen offener rechten Flanken lässt hier nichts Gutes erwarten. Eine Hoffnung: Falls die Grünen sich auf ihren alten Kampfgeist und ursprüngliche Positionen besinnen, könnte ihnen in einer „Jamaika“-Koalition eine wichtige Rolle zukommen. Allein – mir fehlt der Glaube …

Frankfurts Sympathie für „Jamaika“

Wie steht eigentlich Frankfurt am Main zu „Jamaika“? Inspiriert von einer Visualisierung auf Spiegel Online (die ihrerseits inspiriert wurde von The Two Americas of 2016 der New York Times) habe ich für 376 Frankfurter Wahlbezirke ausgewertet, wie stark der gemeinsame Anteil an Zweitstimmen von CDU, Grünen und FDP jeweils ausfällt. Das Ergebnis ist eine Karte, erstellt mit Carto, die anschaulich macht, wo die Sympathie für die „Jamaika“-Parteien stärker ausgeprägt ist, und wo sie ohne Mehrheit dasteht.

Stärkste Parteien in den Wahlbezirken

Eine weitere Karten-Visualisierung – ebenfalls auf Wahlbezirk-Ebene – zeigt auf einen Blick, welche Partei stärkste Kraft geworden ist (und nach dem Klick auch alle Ergebnisse des Wahlbezirks). Die Karte macht auch ein interessantes Detail sichtbar: In drei Wahlbezirken gibt es ein Zweitstimmen-Patt. In den Wahlbezirken 58001 (Wahlgebäude Helene-Lange Schule) in Höchst und 41003 (Kerschensteinerschule) in Hausen kommen CDU und SPD übereinstimmend auf jeweils 24,3 Prozent. Kurios das Patt im Innenstadt-Wahlbezirk 7001 (Julius-Leber-Schule): Hier liegt die CDU mit 19,1 Prozent der Zweitstimmen gleichauf mit – den Linken!

Alle Wahlbezirke als Diagramm

Neben den 376 dargestellten Wahlbezirken hat Frankfurt 114 Briefwahlbezirke, die bei der Kartenvisualisierung außen vor bleiben. Um auch sie verfügbar zu machen, habe ich zusätzlich ein interaktives Diagramm mit Datawrapper umgesetzt, das die Ergebnisse filterbar nach allen 490 Wahlbezirken zeigt.

Die Schwächen von Datawrapper

Erststimmen und Zweitstimmen in 45 Frankfurter Stadtteilen sowie in zehn angrenzenden Wahlkreisen im Rhein-Main-Gebiet: In der Wahlnacht und an den Tagen danach waren mehr als 120 Ergebnis-Grafiken zu erstellen. Datawrapper zeigt bei so einer Massenproduktion eine schmerzhafte Schwäche: Es gibt keine Möglichkeit, Zahlenformate (z.B. eine Stelle nach dem Komma) oder Farben (etwa der Parteienbalken) voreinzustellen – jedenfalls nicht in dem von uns genutzten Tarif Single Flat, der 29 Euro im Monat kostet. Nervig – und zeitaufwändig.

Für die Präsention der Ergebnisse in den beiden Frankfurter Wahlkreisen habe ich erneut Genially genutzt:

 

[su_box title=“Tools und Quellen“ box_color=“#626468″]Wahlbezirk-Geodaten auf offenedaten.frankfurt.de
Kartenvisualisierungstool Carto
Diagramm-Tool Datawrapper
Storytelling-Tool Genially
Wahlergebnisse vom Bürgeramt, Statistik und Wahlen
Tabellenkalkulation, hier: Open Office
Link: Bundestagswahl-Ergebnisse – Wie Frankfurt zu „Jamaika“ steht
Link: Bundestagswahl in Frankfurt – So hat Ihre Nachbarschaft gewählt[/su_box]

Visuelles Storytelling mit Genially

Die Bundestagswahl bietet eine gute Gelegenheit, neue Tools im Redaktionsalltag zu testen. Für die Präsentation von Kandidatenporträts auf FR.de habe ich ein Werkzeug eingesetzt, das ich im Frühjahr auf der re:publica kennengelernt hatte: Genially.

Es dauert einen Moment, bis man sich reingefuchst hat, dann aber ist Genially ein mächtiges Tool, das visuelles Storytelling auf einem hohen gestalterischen Niveau möglich macht. Es bietet ein ganzes Füllhorn an Design-Elementen und Funktionalitäten, um Inhalte interaktiv, multimedial und non-linear zu erzählen – und dabei auch noch gut auszusehen. Texte, Fotos, Grafiken, animierte Gifs, Karten, Video, Audios lassen sich kombinieren, jedes Element animieren und/oder mit Interaktivität ausstatten.

Hier mein Praxisbeispiel: In der Zeitung und auf FR.de porträtieren wir vor der Bundestagswahl die Direktkandidat*innen für insgesamt zehn Wahlkreise in Frankfurt und den angrenzenden Regionen. Das kann man einfach in Textform machen, Bild dazu und fertig. Oder man kann es mit einem Tool wie Genially machen, das sieht dann beisielsweise so aus:

Hier, in meinem Blog, ist es für dieses Genially ein wenig zu beengt. Wählen Sie am besten den Vollbildmodus mit einem Klick unten rechts und blättern Sie sich mal durch die Seiten. Wir haben das Projekt hier prominent platziert und ihm reichlich Raum gegeben.

Vorgefertigte Layouts machen den Start leichter.

Vorgefertigte Layouts machen den Start leichter.

Als Ausgangspunkt kann eines der vorgefertigten Layouts dienen – oder aber man beginnt das eigene Projekt mit einer leeren Seite, „from the scratch“.

Im Prinzip besteht ein Genially aus aneinandergereihten Slides. In meinem Beispiel hat jeder Wahlkreis eine eigene Seite. Die Inhalte – Hintergrund, Texte, Bilder, Buttons – sind in Ebenen angeordnet, wie man sie beispielsweise aus Photoshop kennt.

Offen für externe Inhalte

Jedes Element lässt sich mit Interaktivität versehen. In diesem Fall öffnet sich bei einem Klick auf die Fotos und den Button jeweils ein neues Fenster, mit porträtierenden Texten und einer Balkengrafik. An dieser Stelle habe ich die Möglichkeit genutzt, externe Inhalte einzubinden: Die Grafiken sind mit Datawrapper erstellt und via iFrame im Genially eingebettet. Hier zeigt das Tool eine seiner großen Stärken: Es ist offen für viele Arten externer Inhalte, erleichtert das Einbetten aus gängigen Video- und Audioplattformen, Social-Kanälen, Diagramm-Tools, von Dateien aus Google Drive und Karten aus Google Maps und sogar von Artikeln etwa aus Wikipedia. Aber auch so ziemlich alles andere lässt sich via Code einbetten.

Die Embed-Funktion in Genially bietet viele Optionen.

Die Embed-Funktion in Genially bietet viele Optionen.

Mit Animationen war ich zurückhaltend, das Genially sollte kein Klickibunti werden. Ich habe mich im wesentlichen auf die kreisrunden Kandidatenfotos auf jedem Slide beschränkt: Sie zoomen etwas größer, wenn man mit der Maus darüberfährt – als Hinweis, dass der Klick darauf zu weiteren Inhalten führt.

Alle Wahlkreise sind über eine Karte auf dem Startbildschirm ansteuerbar. Zu diesem Zweck habe ich die Wahlkreise auf der Karte (erstellt mit Carto) mit transparenten Flächen versehen und mit den jeweiligen Wahlkreis-Slides verlinkt. Alternativ kann man, wie oben erwähnt, auch durch die Slides blättern.

Genially bietet die Möglichkeit, jedes Element oder auch die ganze Seite zu animieren.

Genially bietet die Möglichkeit, jedes Element oder auch die ganze Seite zu animieren.

Pro-Funktionen für Einzelprojekt freischalten

Alle wesentlichen Funktionalitäten sind in der kostenlosen Version von Genially verfügbar. Das fertige Projekt lässt sich auch ohne Premium-Account einbetten, verlinken, über Socials verbreiten oder per Mail versenden. Zahlende Kunden können das Projekt herunterladen und auf dem eigenen Server speichern, den „Genially“-Schriftzug verschwinden lassen oder haben Einblick in Zugriffszahlen. Die Premium-Modelle sind gestaffelt, mit monatlichen Abo-Preisen zwischen 10 für den Pro- bis zu 100 Euro für den Master-Account. Für gelegentliche Nutzer gibt es eine coole Alternative: Einige Pro-Funktionalitäten lassen sich für ein paar Euro auch für ein Einzelprojekt freischalten.

Kunst auf Schritt und Tritt: Die „Skulptur Projekte“ 2017 in Münster

Alle zehn Jahre verwandelt Münster sich für etwa 100 Tage in ein großes Freiluft-Museum. Überall in der Stadt sind dann Kunstwerke zu finden: Skulpturen, Plastiken, Bilder, Bauwerke, Installationen bereichern Parks, Straßen, Plätze, Gebäude, Industrieflächen, sogar das Wasser im Hafen. „Skulptur Projekte“ heißt das Ereignis, das 2017 zum fünften Mal stattfindet – und eines der schönsten Geschenke zum meinem Geburstag war die Reise zu diesem Event inklusive sachkundiger Führung mit einer Expertin.

Da lang zur Skulptur!

Da lang zur Skulptur!

Um die „Skulptur Projekte“ auf die Beine zu stellen, lädt Münster Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt ein, sich in der Stadt umzuschauen, sich einen Standort auszusuchen und ein temporäres Kunstwerk für genau diesen Ort zu schaffen. 40 Künstler*innen sind der Einladung diesmal gefolgt, gut drei Dutzend Werke realisiert worden – die meisten unter freiem Himmel, an öffentlich zugänglichen Plätzen, denn die Kunst soll zu den Menschen kommen. Allerdings: In Münster haben die Leute nicht gerade darum gebeten. Weiterlesen →

Schreiben gegen das quälende Rätsel des Todes: Theodor Storm zum 200. Geburtstag

Trauer oder Glückseligkeit, Schuldgefühle oder Leidenschaft: Der Mann schreibt sich sein Leben lang alles von der Seele, was er empfindet. Lyrik für die Heimat, Liebesgedichte für die Ehefrau (und für die Geliebte), Märchen für seine insgesamt acht Kinder – und Novellen für sich selbst: Sie handeln oft von seinen größten Ängsten, von Vergänglichkeit, Verlust, Zerfall und Tod. Für den zu Depressionen neigenden Theodor Storm ist das Schreiben immer auch eine Selbsttherapie. Weiterlesen →

Lauf für mehr Zeit 2017

4507 Läuferinnen und Läufer, 122.000 Euro für die Frankfurter Aidshilfe. Das Wetter war perfekt, die Stimmung hervorragend, und Spaß hat es auch noch gemacht. Die letzten paarhundert Meter auf der Fressgass Richtung Ziel an der Alten Oper hab ich im Windschatten von Pflegekräften absolviert, die im Laufschritt zwei alte Damen im Rollstuhl über die 5-km-Strecke schoben. :) Und das Ergebnis? Gar nicht mal schlecht – für die Altersklasse!

Lauf für mehr Zeit 2017

Lauf für mehr Zeit 2017

Posted by LAUF FÜR MEHR ZEIT on Montag, 11. September 2017

Hat gar nicht wehgetan

So. Geschafft. Und es hat gar nicht wehgetan. Im Gegenteil: Es fühlt sich gut an.

Letzte Woche bin ich 50 geworden, am Wochenende durfte ich mit fast allen Menschen, die ich an diesem Tag um mich haben wollte, feiern – und obwohl der Tag komplett verregnet war, haben sie es am Alten Flugplatz in Frankfurt-Bonames ordentlich mit mir krachen lassen. Mittendrin: Mein Vater, 88 Jahre alt und vor kurzem noch dem Tod von der Schippe gesprungen, der eine bewegende Rede hielt, später mit mir auf der Tanzfläche abhottete – und nun eine Art Fanclub hat, so angetan waren meine Gäste von ihm. Ich natürlich auch. Mir zuliebe hat er, der Wissenschaftler, sogar die Gesetze der Natur gedehnt, als er darauf bestand, ich sei nun „in die zweite Hälfte“ meines Lebens eingetreten.

Nun denn: Auf geht’s in die zweite Hälfte.