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Das Logo der aktuellen ARD-Themenwoche „Kinder sind Zukunft“ erinnerte mich derart penetrant an meinen jüngsten, wenig erquicklichen Besuch im T-Punkt, dass ich mich fragte: Sponsort die Telekom heimlich die Themenwoche? Schleicht sich der Magenta-Betrieb auf diese Weise eine Woche lang werbend in redaktionelle Beiträge der ARD? Tut er nicht, sagt die ARD.

„Unsere Designabteilung hat beim Erstellen des Logos sehr wohl darüber diskutiert, ob sie die Farbe Magenta verwenden kann. Die Kolleginnen und Kollegen kamen jedoch zum Ergebnis, dass dies trotz der Kampagnen der Telekom möglich ist“, antwortet Sabine Knott von der ARD-Zuschauerredaktion auf meine Nachfrage. „Wir bedauern, dass Sie gleich ein Sponsoring vermuten. Dies zeigt, wie gut es der Telekom anscheinend gelungen ist, die Farbe Magenta für ihre Zwecke zu besetzen.“ Tja nun. Der „Designabteilung“ war das ja offenkundig auch bewusst. Sie hat es in Kauf genommen. Die Telekom wird’s freuen.

Am Rande des Universums

Konrad Zuse Friede, Freude und Buletten auf der re-publica? Ja. Zuwenig Streit? Stimmt. Abgesehen von den üblichen Sticheleien (vorzugsweise gegen Nicht-Anwesende) habe auch ich in meiner Konferenz-Ecke keine wirklich kontroversen Debatten erlebt. Ungefähr sechshundertachtzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die erste Reihe allzu oft unter sich schwadronieren lassen – aber wer kann sich schon darüber beschweren, ohne mit eigenen Nase zu kollidieren?

Alle siebenhundert werden nichtsdestotrotz in einen Topf geworfen, weil sie all die Millionen da draußen in einen Topf werfen. That’s Blogosphere. Ein jeder hält das Sonnensystem, in dem er kreist, für das ganze Universum.

Spätestens seit Freitagabend steht zumindest eines fest: Blogger können ebensolche Arschlöcher sein wie alle anderen. Wer hätte das gedacht?

Meine persönliche Second of Fame ist übrigens die neunte. . Update: Das Video wurde entfernt. Tja, jeder Ruhm ist flüchtig.

re-publica, Tag 3: Demokratisierung und Gedöns

So. Konferenz vorbei (für mich bereits am Freitagmittag, es folgte eine laaaaange Bahnfahrt ohne Internet, sehr erholsam), alle relevanten Passwörter sind geändert, der Hintern erholt sich langsam von den unbequemen Stühlen und ich bleibe vorläufig noch eine Zusammenfassung über eine Veranstaltung zum Thema Datenschutz schuldig und, hm, mal sehen, ein Fazit oder sowas. Übermorgen oder irgendwann.

Ein Gedanke schlüpfte mit durch die Tür, als ich am Berliner Hauptbahnhof in den ICE kletterte, oder vielmehr eine Frage, die irgendjemand gleich am ersten Tag in die Runde geworfen hatte:
Wenn es so ist, dass eine Handvoll A-Blogger das Bild von der Blogosphäre nach innen wie nach außen prägen, während der überwältigenden Mehrheit von wenig besuchten und unbedarft schreibenden Feld-, Wald- und Wiesen-Bloggern so gut wie keine Relevanz beigemessen wird – was bleibt dann eigentlich von all dem Freiheits- und Demokratisierungspathos, mit dem wir unser Tun (gerade auch auf solchen Konferenzen) so gerne umschreiben?

re-publica, Tag 3: Der Empfänger als Sender

Gegen Mittag heißt die Frage im Hauptsaal: „Der Empfänger als Sender – Der „Citizen Journalism“ lässt die Redaktion rotieren, doch bewegt er auch die Bürger?“ Auf dem Podium (von links): Jörg Kantel, Katharina Borchert, Falk Lüke (Moderation), Jens Matheuszik, Hugo E. Martin.

re-publica 2007

An einer Definition von „Citizen Journalism“ (im Laufe der Debatte setzt sich „Bürgerjournalismus“ durch – vermutlich wegen der leichteren Aussprache) versucht sich Martin (Readers Edition): Bürgerjournalismus sei, „wenn Bürger an Inhalten beteiligt sind“.

Kantel (Schockwellenreiter) hat „massiv Schwierigkeiten mit diesem Begriff“: Bürgerjournalismus sei nur dann Bürgerjournalismus, wenn der Bürger im Besitz der Produktionsmittel sei. Alles andere sei „Moppelkotze“ – oder „der Versuch, billigen Content von anderen zu bekommen.“

Borchert kann mit der Debatte wenige anfangen – für die WAZ-Onlinechefin ist das eine theoretische Diskussion, die hauptsächlich von Journalisten geführt werde und nicht von jenen, die „Bürgerjournalismus“ machen. So sieht es auch Matheuszik (Pottblog): „Ich würde mich nie als Journalist sehen und möchte mich auch nicht mit Journalisten an Zeitungen vergleichen.“ Er greife in seinem Blog die (regionalen) Themen auf, von denen er glaubt, dass sie in traditionellen Medien zu kurz kommen.

re-publica 2007Eben hierin sieht Borchert eine wichtige Aufgabe gerade für lokale Medien. „Das findet aber doch gar nicht mehr statt“, beklagt Kantel. Es würden nur noch massenkompatible Themen aufgegriffen. Dieses Vakuum könnten Bürgerjournalisten füllen. „Wir brauchen wieder den Verleger, der lokal vernetzt ist“, sagt Martin. Borchert verteidigt die etablierte Medienhäuser: Es gebe nun mal eine natürliche Bgrenzung dessen, worüber berichtet wird – schon aus Gründen des wirtschaftlichen Überlebens. Nicole Simon (im Publikum) moniert den Widerspruch, dass zwar an die klassischen Medienhäuser viele Forderungen gestellt würden, aber kaum jemand bereit sei, dafür zu zahlen.

Bei der WAZ sei eine Online-Plattform geplant, wo Leute ihr Blog einrichten und über ihre Region berichten könnten – aber nicht separiert von den redaktionellen Inhalten, sondern „eng vernetzt“. Es gehe darum, eine möglichst große Meinungsvielfalt darzustellen. Das entscheidende Format sei der Kommentar: Die Leute hätten das Bedürfnis, ihre Meinung zu äußern – und jetzt eben auch die technische Möglichkeit, dies öffentlich zu tun. „Das ging früher nicht.“

Oliver Gassner (im Publikum) fragt danach, wie WestEins mit zu erwartenden Rechtsproblemen im Zusammenhang mit Meinungsäußerungen umgehen wird. Damit habe man bereits Übung, so Borchert: „Wir haben auch jetzt schon mit Abmahnungen wegen Forenbeiträgen zu tun. Aber das wird uns davon nicht abhalten.“

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re-publica, Tag 3: Die Medien(r)evolution

Heute morgen geht es im Hauptsaal der Kalkscheune zunächst um „Die Medien(r)evolution – Wie überholt sind die alten Medien, wie innovativ die neuen?“ Auf dem Podium (von links): Thomas Knüwer, Tim Pritlove (Moderation), Mercedes Bunz, Jochen Wegner, Johnny Haeusler (nicht im Bild, weil er zu spät kam, was die Spekulation nährte, er sei ohnehin nur ein Avatar – aber das Gesicht ist ja hinlänglich bekannt.;)).

Wie hat das Web den Journalismus verändert? Das Podium nähert sich dieser Frage zunächst handwerklich: „Im klassischen, alten Journalismus war der Link das Telefon. Da wurde den ganzen Tag telefoniert. Heute heißen Quellen Links, aber im Grunde ist es das gleiche“, meint Bunz (Tagesspiegel). Ein Konferenzteilnehmer sieht da sehr wohl einen wichtigen Unterschied: Ein Journalist, der zum Telefon greift, recherchiere selber. „Einen Link setzen heißt einfach nur das Internet abgrasen.“ Bunz widerspricht: Um beispielweise das Ergebnis einer wissenschaftlichen Arbeit zu erfahren, könne man ebenso gut die Studie im Web nachlesen, statt den Forscher anzurufen. Das Spannendere sei jedoch, wie Zeitungen nach außen hin mit der Entwicklung umgehen.

Knüwer (Handelsblatt) sieht bei den Verlagen einen „kritischen Punkt erreicht“: Redaktionen seien im Begriff, sich zu zerteilen – in die Leute, die gerne multimedial arbeiten und die Freiheiten dieser Form des Publizierens genießen, und jene, die womöglich ihre Arbeitsplatz verlieren, die Ursache dafür im Internet sehen und den anderen vorwerfen, „da auch noch mitzumachen“. Knüwer nennt das einen „Kulturkrieg“ und prognostiziert: Der werde in den kommenden Jahren in den Redaktionen vollends ausbrechen.

re-publica 2007 Jochen Wegner (Focus Online) glaubt nicht recht an Online First: „Das ist irgendwie Unsinn.“ Der Alltag in den Redaktionen sehe anders aus. Im Zweifelsfall, wenn abends der Redaktionsschluss drückt, würde online eben nicht zuerst bedient – schon gar nicht, wenn es um „das große exklusive Merkel-Interview“ gehe. Bei Focus Online würden 50 Leute einen „Nahezu-24-Stunden-Betrieb“ zu stemmen versuchen. Natürlich werde viel Agenturmaterial verwendet, ebenso zahlreiche Artkel aus dem gedruckten Magazin, dazu gebe es aber täglich gut 20 eigene Geschichten.

Bunz begrüßt grundsätzlich die „Experimentierphase“, die in den Verlagen eingesetzt habe. Beim Tagesspiegel seien die Vorbehalte der Printredaktion gegenür Online deutlich zurückgegangen, die Kollegen seien aufgeschlossener, würden Artikel oder Langfassungen auch mal vorzeitig an die Online-Redaktion durchreichen. Knüwer stößt sich prompt an der Formulierung, fragt, warum eine Online-Redaktion darauf warten muss, dass Printkollegen etwas „reichen“, statt sich Texte „zu holen“. Bunz erinnert daran, dass Print und Online immer unterschiedlich produzieren werden – „es ist ein anderes Prodzuzieren in der Zeit, und das wird man nie rauskriegen.“ Hinzu komme, dass viele Verlage – einschließlich des Tagesspiegels – noch immer technisch schlecht ausgestattet seien. „Man kann sich kaum vorstellen, mit welchen grottigen Computersystemen man bei Holtzbrinck arbeitet.“

Torsten Kleinz, Online- und Print-Journalist, bricht eine Lanze für die Umfassenheit der „alten“ Medien: Wenn er sich unter Leute umhöre, die ausschließlich Blogs lesen, stelle er fest: Die sind teilweise erschreckend schlecht informiert.“ Blogs als ausschließliches Informationsmedium? Haeusler kann sich das nicht vorstellen, Knüwer ebensowenig. Eine sinnvolle Aufagenteilung sieht für ihn so aus: Das Internet liefert schnell alle Nachrichten, der Print bringt die einordnenden, erläuternden Hintergrundtexte. Wegner wirft ein: „Das kann ich aber doch online auch?“

Wo aber bleibt die (ohnehin nur in Klammern gesetzte) Revolution? Liegt sie in einem Gedanken, den ein Teilnehmer im Publikum äußert: Wird die Print-Ausgabe in Zukunft das Supplement der Online-Ausgabe sein? Wird man in Zukunft das Geld übers Internet verdienen?

Ob die Zeitung bestehen bleibe, hänge auch davon ab, wie sich die Trägermedien weiterentwickeln, meint Bunz. Bislang hätten beide Formen noch ihren Vor- und Nachteile, würden sich noch sinnvoll ergänzen, aber das könne sich ändern. „Ich selber lese gerne Zeitung“. Haeusler gesteht ebenfalls, dass er regelmäßig und gerne in der Tageszeitung blättert: „Ich mag die Haptik von Papier, ich bin ein Magazin-Junkie.“

Wie zum Beweis wird die erste (und angeblich einzige) Spreeblick-Printausgabe verteilt. Die Titelgeschichte auf dem Tabloid-Heft: „Print ist tot“. Das Editorial erklärt:

Print ist tot. Steht ja überall. Oft sogar gedruckt. Und da dachten wir uns, machen wir doch mal schnell Print! Bevor es ganz verschwunden ist.

Zur Frage nach der Revolution fällt Haeusler durchaus noch etwas ein: „Die Informationshoheit fällt.“ Es mag noch an der Qualität mangeln, „aber wir haben ja viele Jahre Zeit zum Üben.“

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re-publica, Tag 1: Mythen der Blogosphäre

Dies ist übrigens eine Konferenz mit Kommentarfunktion – per SMS direkt auf die Leinwand. Die Kommentare können auch hier verfolgt werden.

Jan Schmidt nimmt einige Mythen über Blogger (männlich, Freiberufler, Dreitagebart, Übergewicht) unter die Lupe:
Republica 2007
Die Mythen über die Blogosphäre, die als Ergebnis einer Umfrage vor einiger Zeit veröffentlicht wurden, stellten sich bei näherer Betrachtung als Befragung ausschließlich unter Friendscout24-Nutzern über 18 Jahren heraus. Aus dieser Umfrage wurde auf die Gesamtheit der Blogger geschlossen – fragwürdig, findet Jan Schmidt und setzt dem eine eigene Untersuchung entgegen. Nach Zahlen aus 2005 ist der Anteil von Männern und Frauen unter den Bloggern nahezu ausgeglichen: 46 Prozent weiblich, 54 Prozent männlich. Aber: Unter den Top-100-Bloggern 2006 hingegen waren 20 Prozent weiblich, 80 Prozent männlich. Meistgelesen, meistverlinkt, meistbeachtet sind also die männlichen Blogger.

re-publica 2007 Dem Mythos von der Gegenöffentlichkeit (Blogs als Alternativ-Medium) stellt Schmidt gegenüber, dass Blogs in zunehmendem Maße von professionellen Journalisten geschrieben würden. Und dass in Weblogs in erster Linie Massenmedien verlinkt würden. Aus dem Publikum kam der Einwurf, dass Blogger in vielen Fällen Massenmedien nicht einfach nur zitieren, sondern kritisch hinterfragen und ihre Texte nach allen Regeln der Kunst zerpflücken – also durchaus eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Für mich – als Journalistin, die privat bloggt – gilt zumindest: Vieles von dem, was ich in meinem Weblog schreibe, kann ich so nur dort äußern; besonders, wenn es um Kritik an dem Medium geht, für das ich tätig bin (wobei ich hier schon darauf achte, eine Grenze der Zulässigkeit nicht zu überschreiten – ich mag meinen Job gerne behalten). An manchen Tagen und in gewisser Weise ist mein Blog also „Gegenöffentlichkeit“. Und an anderen Tagen ist es persönliche Öffentlichkeit – das also, was Jan Schmidt als Öffentlichkeitsbegriff für die meisten Weblogs ausmacht. An erster Stelle der Themen in Blogs stünden Berichte aus dem Privatleben; politische Beiträge machten etwa 30 Prozent aus.

Auch auf den Mythos von der Irrelevanz (99 Prozent = Müll, Klowände etc.) ging Schmidt ein. Nach seinem Eindruck werden solche Urteile zumeist von Vertretern klassischer Kommunikationsberufe gefällt, die den Fehler machten, die Bedeutung von Weblogs mit dem gleichen Maßstab zu messen wie ein Massenmedium. Die alte Regel aus einer Zeit, da nur wenige die Möglichkeit zum Publizieren hatten – „Alles, was öffentlich gemacht wird, hat gesellschaftliche Relevanz“ – gelte jedoch nicht mehr. „Es geht um persönliche Relevanz, nicht mehr um gesellschaftliche.“ Banalisierungsversuche gebe es aber auch innerhalb der Blogosphäre. Jan Schmidt meint dazu: Blogger sprechen abfällig über Katzen-Content oder Strickblogs, um selbst bedeutender zu erscheinen.

Sein Fazit:

  • Es gibt kein richtiges Bloggen. Was Bloggen ist, wird ausgehandelt – stets neu.
  • So genannte A-Blogger prägen das Bild von Weblogs – nach innen ebenso wie nach außen.
  • Im Long Tail – dem langen Schwanz der unbekannteren Blogger – finden sich in erster Linie „Persönliche Öffentlichkeiten“.
  • Allen Mythen ist gemeinsam: Sie bilden immer nur einen kleinen Ausschnitt ab. Will man Blogger ernst nehmen, muss man den Long Tail ernstnehmen.

Don Dahlmann, Matthias Oborski, Silke Schippmann und Nicole Simon (von links) berichten über ihr „Leben im Netz“:
Republica 2007
Silke Schippmann (XING) warnt vor „falsch verstandener Meinungsfreiheit“ und beklagt fehlende Medienkompetenz: Auch in ihrem Business-Netzwerk komme es immer wieder vor, dass Leute ausfällig werden oder schlecht über ihre Firma reden. Den meisten sei dabei scheinbar nicht bewusst, wo sie sich gerade befinden: „Der Chef liest mit.“ Teilweise müsse man die Leute vor sich selber schützen. Wenn Mahnungen nicht helfen, fliegt auch mal jemand raus – das kommt laut Schippmann etwa zweimal im Monat vor.

Für Nicole Simon ist das Internet wie warmes Wasser: Klar könne man mal drauf verzichten, bei einem Abenteuerurlaub etwa – aber warum sollte man? Das Kontakteknüpfen übers Netz ist für sie deutlich effizienter: Im „echten Leben“ müsse sie sehr viel mehr Menschen treffen, um irgendwann die Handvoll gefunden zu haben, die ähnliche Interessen teilen.

Disclaimer: Es handelt sich um sinngemäße Zitate, nicht notwendig wörtliche – ich bitte alle Erwähnten um Verständnis und um Hinweis, wenn sich jemand falsch wiedergegeben fühlt …