Ich fand mich immer vorbildlich, weil ich nach ungewollt tiefen Einblicken in die Intensivmedizin eine Patientenverfügung samt Vorsorgevollmacht gemacht hatte. Heute bin ich nicht mehr so sicher. Werde ich das, was ich da festgelegt habe, immer noch so wollen, wenn es soweit ist?
Kann man wirklich eine Antwort geben, ohne ganz genau zu wissen, wie die Frage lautet? Eine Entscheidung über Leben und Tod treffen, ohne zu wissen, um welche Sorte Leben es gehen wird? Heute bestimmen, was morgen für mich noch Wert haben wird – und was nicht? Andererseits: Ist es legitim, die Last einer Entscheidung allein den Liebsten aufzubürden? Oder den Ärzten? Wenn die Lage hoffnungslos erscheint, beginnen Mediziner die Angehörigen nach letzten Wünschen zu fragen – auch, so habe ich es jedenfalls erlebt, aus eigener Hilflosigkeit.
Im April entscheidet der Bundestag über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen. Der Nationale Ethikrat hat eine Stellungnahme vorgelegt, die mich nachdenklich gemacht hat. Wenn eine konkrete medizinische Situation eintritt, für die in einer Patientenverfügung Festlegungen getroffen sind, dann soll die Verfügung Vorrang gegenüber „Anzeichen von Lebenswillen“ haben. Im Klartext: Das Papier hätte mehr Gewicht als der Mensch, auch wenn der alles andere als lebensmüde wirkt?