Herrjeh, da war’s schon wieder. Mitten in den Auftritt der gut gelaunten Kanzlerin vor der Bundespressekonferenz zur Sommerpause hatte es sich geschlichen: Ein Denkverbot dürfe es nicht geben, kommentierte Merkel die Schelte für die jüngsten Ideen ihres Innenministers zu Internierung und Abschuss von „Gefährdern“.
Es erlebt eine wahre Blütezeit, das Verbot des Denkverbots. Allerhöchste Kreise haben es als Wunderwaffe gegen jede Form von Kritik entdeckt, die – und das ist der Clou – ihre volle Wirkung vor allem bei der Generation der 68er entfaltet: Was, euch gefällt nicht, was wir vorhaben? Wollt ihr uns etwa das freie Denken verbieten? Das sitzt erstmal, zumal bei den einstigen Kämpfern für die körperliche und geistige Freiheit.
Aber mal ehrlich: Ein wenig anspruchslos ist das ja schon, wenn politische Konzepte nicht mehr inhaltlich verteidigt werden, sondern zunehmend mit dem Hinweis darauf, dass sie nun mal dem freien Fluss der Gedanken entsprungen sind – gerade so, als würde allein diese Tatsache selbst den schwachsinnigsten Ideen eine Daseinsberechtigung verleihen.
Keine Sorge, liebe Frau Kanzlerin, lieber Herr Innenminister: Das Denken will keiner verbieten – man müsste ja sonst noch viel öfter mit solch hanebüchenen Ideen rechnen. Aber eine Frage sei erlaubt: Was genau meint ihr eigentlich damit, es dürfe keine Denkverbote geben? Ist das ein Freibrief, jeden Gedanken laut äußern zu dürfen, ganz gleich, ob er im Einklang mit unserer Verfassung und den Gesetzen dieses Landes steht oder nicht? Oder anders gefragt: Ist beim Denken alles erlaubt? Oder gibt es da Grenzen? Und wenn ja, wer legt die fest? Wenn sich zum Beispiel irgendein rechtes Gesocks vor den Reichstag stellt, nach der Abschaffung der Demokratie ruft und darauf besteht, dass die Sache mit dem freien, von Recht und Gesetz unbelasteten Denken nicht nur für Abgeordnete und Minister gilt – was genau entgegnet ihr denen dann? Denkverbote darf es nicht geben, außer für Menschen mit fiesen Fressen und fehlendem Haupthaar?
Ja, die Gedanken sind frei, auch die von Politikern. Es wäre schon viel geholfen, wenn sich alle an die bewährte Reihenfolge hielten: erst denken, dann sprechen. Wenn es sich nämlich um die Gedanken eines Verfassungsschutzministers handelt, fliegen sie halt leider nicht nur mal eben vorbei wie nächtliche Schatten, sondern heben an, sich in Gesetzestexten zu manifestieren, wenn man nicht aufpasst.